04.03.2008 - Ausgeflimmert...
Hat es sich bei "Stage 6" dem Portal, das ich vollmundig als ultimatives Videoportal empfohlen hatte. (youtube und videogoogle bleiben uns erhalten)
Hier der Spiegel-Online Artikel zum Thema:

Stage6 macht dicht

Von Frank Patalong

Etwas mehr als ein Jahr war Stage6 die aufregendste Videoseite im Web: Eine prächtige Auswahl legal zugänglicher Inhalte und Hinterzimmer voller raubkopierter Filme machten sie zur Lieblingsseite von Cineasten und TV-Freaks. Jetzt macht Betreiber DivX den Laden dicht - aus Kostengründen.

Video im Netz kostet Geld, und das nicht zu knapp: Während Internet-Nutzer heute meist per Flatrate im Web unterwegs sind, zahlen die Anbieter von Inhalten noch immer volumengebunden an ihre Provider. Nichts, was man im Web veranstalten kann, ist darum teurer als der Vertrieb von Videos.

Stage6: Drei Tage bis zur Schließung

Das bekam nun auch die amerikanische Softwareschmiede DivX zu spüren, eigentlich Entwickler kraftvoller Codecs zur Komprimierung von digitalen Videoinhalten. Weil derzeit niemand bessere Qualitäten bei vergleichsweise kleinen Dateipaketen hinbekommt als DivX, hat sich das Format im Web neben XVid längst als Standard auch der Raubkopierer durchgesetzt.

Seit Ende 2006 kamen aber auch rechtschaffende Surfer zunehmend in den Genuss von DivX-Qualitäten: Mit Stage6 zeigte DivX, was im Netz heute möglich ist in Sachen Web-Video. Während bei YouTube und Co. schlierige Wackel-Videos wenig Freude machen, verwöhnte Stage6 seine Nutzer mit HD-Qualitäten bei vergleichsweise kleinen Datendurchsätzen - 2-Mbit-DSL reichten da völlig aus. Mitunter hatte man - wie bei einer DVD - sogar noch die Wahl zwischen verschiedenen Tonspuren.

Opfer des eigenen Erfolgs

Das sprach sich herum. Die Nutzerzahlen explodierten seit Frühjahr 2007, im letzten Monat sollen es über zehn Millionen Filmfans gewesen sein, die bei Stage6 für Verkehr sorgten. Wer, fragt nun das DivX-Team rhetorisch, soll das bezahlen? Denn die Entscheidung ist längst gefällt: Am Donnerstag, 28. Februar 2008, hört Stage6 auf zu existieren. Zur Begründung werden von Seiten der Betreiber die Kosten angeführt. Damit wäre Stage6 ein Opfer seines eigenen Erfolges geworden.

Man darf das ruhig glauben, denn das Angebot war mit Sicherheit ein teurer Spaß. Jeder einzelne Download - denn die bei Stage6 gezeigten Filme sind keine Streams, sondern sogenannte sukzessive Downloads - eines Films von Kinofilmlänge schlug mit (abhängig von der Qualität) 700 MB bis zu 1,4 GB zu Buche. DivX bezahlte.

Dabei hätten sich dort eigentlich keine Kinofilme finden lassen sollen. DivX bemühte sich redlich, illegale, pornografische und unlizenzierte Inhalte aus dem Angebot herauszuhalten. Erhebliche Kosten dürften allein schon dafür aufgelaufen sein, das rapide anwachsende Angebot ständig sauber halten zu müssen.

Parasiten sorgten für Verkehr

Es erwies sich als Kampf gegen Windmühlen. Ein großer Teil des von DivX für Stage6 bezahlten Datenvolumens dürfte völlig an der Webseite vorbeigegangen sein. Spätestens seit Sommer 2007 hängten sich Aggregatorenseiten an Stage6 an, die die von Stage6-Nutzern unter kryptischen Dateinamen verborgenen Filme und TV-Beiträge auf den Servern des Unternehmens per Deep Link direkt aufrufbar machten.

Man kann sich das ähnlich vorstellen wie bei Google News: Dort werden Nachrichten von anderen Seiten zusammengetragen, der Klick aber führt zu der betreffenden Quelle. Die Huckepack-Fahrer von Stage6 trugen Filme zusammen, verlinkten aber nicht hin zur Webseite, sondern linkten nur direkt auf das betreffende Video. Im Klartext: Eine ungeklärte Zahl von Streams lief über völlig andere Seiten. Über Stage6 selbst blieben sie unsichtbar.

Das bekannteste Angebot dieser Art dürfte Joox sein, über das Kinofilme und TV-Serien zugänglich gemacht wurden. Das Gros dieses Materials besteht aus Raubkopien, die Stage6 selbst stets nur anhand plötzlich ansteigenden Datentransfers bemerkte. Es ergab sich ein virtuelles Ping-Pong-Spiel, das Stage6 nie unter Kontrolle bekam. Raubkopien landeten auf den Servern, Joox und Co machten sie auffindbar, Stage6 reagierte nach einigen Stunden oder Tagen und löschte sie wieder - wenig später waren die Raubkopien (unter anderen Dateinamen) wieder auf den Servern versteckt.

Wann gibt es so etwas endlich legal?

So wurde Stage6 trotz sauberer Weste indirekt zu einem der Hauptanbieter für kostenfreies, aber unlizenziertes Kintopp-Material im Web. Andere Aggregatoren vergruben Porno-Filme auf den Servern - Stage6 selbst ist im redaktionell betreuten Teil dagegen jugendfrei. Klagen aus der Entertainment-Industrie kassierte DivX für Stage6 bisher nicht. Gut möglich, dass man mit der Schließung auch denen aus dem Weg gehen will, denn den Windmühlen-Kampf gegen die findigen Aggregatoren hat Stage6 klar verloren.

Den im Sommer 2007 ventilierten Plan, Stage6 als eigenständige Firma auszulagern, hat DivX offenbar aufgegeben. Jetzt will sich die Firma wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, die Entwicklung von Codecs und Applikationen für den Medienvertrieb. Aus Firmensicht ist das wohl so sinnvoll wie nötig: DivX war ein Vorreiter bei der Entwicklung von Codecs, die HD-Videovertrieb per Web möglich machten, setzt noch immer die Standards. Aber die Konkurrenz schläft auch nicht: Die Implementierung von H.264-Codecs durch Adobe lässt erwarten, dass wir in Zukunft auch vermehrt HD-Videos über Webseiten sehen werden, die ihre Videos via Flash-Player servieren.

Dass so etwas bisher kaum zu sehen ist, liegt zum einen daran, dass es an HD-Vorlagen mangelt, die man vertreiben könnte (aus Nutzer-Videos bei YouTube macht niemand ein HD-Video). Zum anderen aber liegt es an den gleichen Gründen, die Stage6 nun zur Aufgabe brachten: an den Kosten. Die Auslieferungskosten für das zu erwartende Datenvolumen, wenn jemand wirklich so weltweit On-demand-Fernsehen anbieten würde, wären durch Werbung nur schwer zu refinanzieren - einmal ganz abgesehen von den fälligen Lizenzgebühren. Die großen Medienfirmen setzen darum eher auf digitale Vertriebsmodelle, die - wie etwa bei BitTorrent - auf Peering beruhen: Hier sollen die Lasten und damit die Kosten zum größten Teil auf die Nutzer verlagert werden.

Bei so mancher Filmfirma mag nun der eine oder andere Sektkorken knallen. Rechtliche Handhaben gegen Stage6 gab es bisher wenige, die Firma konnte besser als die meisten ihrer Konkurrenten dokumentieren, dass über ihre Webseite selbst nur äußerst selten Copyright-Verletzungen geschahen. Vor allem aber drängt es die Konsumenten solcher digitalen Waren zurück in die Ruckel-Ecke: Entweder, sie setzen sich dem Risiko der illegalen Börsen aus, oder sie bescheiden sich mit Wischi-Waschi-Videos von koreanischen Servern, bei denen die Filme öfter haken als laufen und der Ton klingt, als sei er unter Wasser aufgenommen.

Echte HD-Filmerlebnisse sind da vorerst nur noch von legalen Angeboten zu erwarten. Wird langsam Zeit, dass so etwas auch ernsthaft und ernstzunehmend angeboten wird: Der Markt ist bereit, und das nicht zuletzt dank Stage6. Wohl deutlich mehr als zehn Millionen Nutzer werden die Möglichkeit dieses ersten echten TV-Webs vermissen.