Jörn Pfab

 

 

6. 3. 1925 Hamburg. Nach der Steinmetzlehre 
1946-52 Studium der Bildhauerei an der Landeskunstschule Hamburg bei Edwin Scharff. 
Seit 1952 Atelier in Hamburg. 1952 Lichtwark-Stipendium. 
1956 BDI-Kulturkreis-Stipendium.
1971 Edwin-Scharff-Preis der Freien und Hansestadt Hamburg.




Jöm Pfab
Kirchdorf 1975
Chrom-Nickel - MoIybdän-Stahl Höhe: 230 cm


Scharffs Wechselbäder


Nachdem ich gelesen habe, was Fritz Fleer über die Gießerei geschrieben hat, erinnere ich mich an den spürbaren Unterschied zwischen der Biidhauerklasse bei Scharff und der qualmigen Gießerei, in der wir unsere eigenen kleinen Herren waren.
Hier der gemütliche Umgang und kollegiale Ton, dort in der ,Klasse‘ der spürbare Druck, der von Scharff ausging, der Druck eines Lehrers, dessen Duktus die Unerbittlichkeit war. So ein wenig Zeus war eigentlich immer mit im Spiel, wenn er Korrekturen gab. Unnachsichtig deckte er alle Schwächen und Unarten auf, temperamentvoll auf die Person des Schülers ausgerichtet, beschwörend manchmal, immer sehr eindringlich.
Ich meine, die mit viel Verve vorgetragenen Korrekturen — die sich meist gegen etwas richteten — gegen: Unkonzentriertheit, lahmen Aufbau, unintelligente Proportionierung, technische Übertreibung, Allzuhandwerkliches etc. etc. — gingen von einem Lehrer aus, der Widerstände beseitigen wollte, Widerstände, die sich vor die Begabung legen können und sie hindern, sich zu entfalten, jedoch jenen eigenen Widerstand fördernd, der Begabung vor schädlichen Einflüssen schützen kann.
Ein Künstler, der sehr stark an sich selbst erfahren haben muß, wie, wann, wo Kunst entsteht oder ... mißlingt — diese persönliche Erfahrung war wohl die stärkste Triebkraft für Scharffs Lehren; so wäre jedenfalls auch der immer wieder völlig überraschende Wechsel in der Einstellung zu seinen Schülern zu verstehen.
Jener, den er drängen mußte, sich zu mühen, Hindernisse zu überwinden in sich selbst, um durchzustoßen in die Region der eigenen Begabung, hatte ein ,Stakkato‘ anzuhören; jener, dem etwas gelungen war, ein sehr behutsames ,Moderato cantabile‘. Aus dem Lehrer wurde ohne Übergang ein väterlicher, wohlwollender Kollege, der sich freute.
Edwin Scharff hat in der Zeit seines Arbeitsverbots in dem so wenig herrenhaften ,Blockwart-Paradies‘ Widerstand und Widriges praktiziert, und sicher war davon auch noch einiges lebendig in der Zeit, als wir seine Schüler waren.
Seine dialektische Weise des Erklärens war auffällig; selten, daß er jemandem einen ungeteilten Rat gab; immer stand das Erwünschte, Anzustrebende neben dem zu Vermeidenden, dem Unerwünschten. ,,Wahrheit läßt sich nicht bezeichnen, festlegen, auch Wirklichkeit ist nur umschreibbar. Zwischen den beiden Polen des Positiven und des Negativen wird noch am meisten davon spürbar: so auch in der Kunst; Gegensätze erzeugen Spannung!“
Mag sein, daß sein starkes Gefühl für und gegen Widerstehendes in Charakter und Herkunft begründet lag; es mag aber auch sein, daß sein eigener Widerstand gegen die Schwachsinnigkeiten des Dritten Reiches jenen Stachel gesetzt hatte, der ihn zwang, auch in seinen Schülern Wachheit hervorzurütteln als einen Zustand möglichst immerwährender ,Gegenwärtigkeit‘.
Spannung ist übrigens ein Wort, das er häufig gebrauchte, um die Plastik als gewölbte, räumliche Ausdehnung zu beschreiben: Ein praller Apfel diente als Beispiel dafür, pantomimisch unterstrichen durch nach außen drückende angewinkelte Arme. Vieles von dem, was er meinte, drückte er so leibhaftig aus. Seine Korrekturen waren eher Demonstrationen vor dem Objekt, selten direkter Eingriff; er ließ die Schülerarbeit meist unberührt.
Dies zeigt sein Gefühl für die Grenzen seines Eingreifens, die Schülerarbeit blieb immer jenseits seiner Berührung, im Gegensatz zur Person des Schülers, der sein eigentlicher Widerpart war und für den es keine Schonung gab, kein Halt vor Verletzlichkeiten. Ich habe Männer grün werden sehen und Mädchen weinen.
Er hat uns ziemlich eingeheizt, damals, und dort manche Energieeinheit nachgestoßen, wo wir sie nicht aufbrachten — aus welchen Gründen immer —, sie nicht entwickelt haben.
Intensität, Gegenwärtigkeit — wie man heute weiß — sind sehr wesentlich für jede Generation, die immer wieder neu feststellt, klärt, welches die eigene Position ist und welches die Kategorien sein könnten, nach denen geurteilt und gearbeitet werden soll.
Scharff hat dies gefördert und alles heftig bekämpft — sei es von außen, sei es von innen —, was seine Schüler an der Ausbildung ihrer Begabungen hätte hindern können.